Zur Geschichte der Realschule

Die Wurzeln der realen (von lat. res = „Sache, Gegenstand“ abgeleitet) Bildung finden sich bereits im frühen Mittelalter: Der Benediktinerabt Strabo (808–849) schrieb in seinem Gartengedicht (Hortulus), wie die Erfahrung durch der eigenen Hände Arbeit („propriis palmis“) vergrößert werden kann. Weitere frühe Ansätze der realen Bildung finden sich im Humanismus, wo neben der „Sprachbemeisterung“ auch die „Sachbemeisterung“ gefordert wurde, die von der damaligen am Wort Gottes orientierten Lateinschule nicht geleistet werden konnte.

Die vom Adel entwickelten standesspezifischen Ritterakademien öffneten den Weg zur neuzeitlich realen Bildung. Parallel dazu standen die Bemühungen einzelner Pädagogen, die beispielsweise die Einführung der Muttersprache in den Unterricht und die Ablösung vom Latein forderte. Andere bauten darauf die Worte nur in Verbindung mit den Sachen, den „Realien“ zu lehren. Im 18. Jahrhundert erstarkte mit dem Bürgertum der Ruf nach den realbildenden Schulen. Die bisherigen Schulen wurden vom Zeitalter der Aufklärung in Frage gestellt. Zunächst blieb die Vermittlung realer Bildungsinhalte aber noch die Aufgabe einzelner Pädagogen:

So gründete der Hallenser Pastor Christoph Semler (1669–1740) im Jahre 1707 seine „Mathematische und Mechanische Realschule“ mit der Idee, den Unterricht zu veranschaulichen und Techniken zu schulen, die für das Berufsleben notwendig erschienen. Semlers Schule trug als erste den Namen „Realschule“. Bereits 1832 wurden Abschlüsse der Realschule in Preußen als Berechtigung zu mittleren Laufbahnen anerkannt. Damit schob sich diese Schulform rechtlich zwischen Gymnasium und Volksschule.

Der Weg zu den heutigen Realschulen verlief jedoch anders: Aus der Vielfalt der mittelbildenden Schulen (höhere Töchter- und Knabenschulen, Stadtschulen, Bürgerschulen und Rektoratsschulen) erwuchs 1872 eine eigenständige Mittelschule. Sie war nichts anderes als die Antwort auf die politische, soziale und wirtschaftliche Entwicklungen jener Zeit, die zwischen Volksschule und Gymnasium eine Mittelschule erforderten. Denn zwischen den rein mechanisch-manuellen und den rein geistigen Berufen stieg die Zahl und die Bedeutung der Berufe, die beide Tätigkeiten vereinen.

Die Realschule – bis 1965 als Mittelschule geführt – ist heute eine allgemeinbildende weiterführende Schule im Rahmen des gegliederten Schulsystems. Sie umfasst die Klassen 5 bis 10 und wird mit der mittleren Reife (Realschulabschluss) abgeschlossen. Am Ende der 6. Klasse muss im Wahlflichtbereich eines der Fächer Technik, AES oder Französisch gewählt werden, welches dann ab der 7. Klasse jeweils mit drei Wochenstunden unterrichtet wird und als Kernfach für die Versetzung relevant ist.

Nach den Maßgaben der Kultusministerkonferenz von 1964 zielt der Unterricht der Realschule auf die Vermittlung einer erweiterten Grundbildung. Bei erfolgreichem Abschluss berechtigt diese zur Aufnahme berufsqualifizierender Bildungsgänge, zum Eintritt in die mittlere Beamtenlaufbahn oder zum Besuch höherer Berufsfachschulen bzw. von Fachoberschulen oder der gymnasialen Oberstufe.

Gleichfalls im Jahre 1964 nahm unsere Schule mit zwei Klassen ihren Betrieb unter den Bedingungen des damaligen Bildungsplanes auf. Dieser und besonders auch der Bildungsplan des Jahres 1984 definierten als Bildungsauftrag unter anderem: „In einem eigenständigen Bildungsauftrag schafft die Realschule die Grundlage für praktische Berufe mit erhöhten theoretischen Anforderungen, in denen auch Anforderungen mit gehobenen Ansprüchen an Selbständigkeit, Verantwortung und Menschenführung gestellt werden, sowie für eine Vielfalt von schulischen Bildungsgängen, vorwiegend im beruflichen Schulwesen.“

Der Strukturwandel beim Aufbau der Bundesrepublik hatte auch unsere Region erfasst. Ehemals agrarisch und kleingewerblich geprägte Landgemeinden hatten sich durch wirtschaftliche und industrielle Entwicklungen, in unserer Gemeinde auch in den Bereichen Kur und Fremdenverkehr, zu leistungsstarken, fortschrittsorientierten Kommunen gewandelt. Hinzu war nach dem Krieg durch Flucht und Vertreibung und später dann hauptsächlich durch Zuzug in einen sehr attraktiven Wirtschaftsraum ein enormes Bevölkerungswachstum gekommen. Diese Neuausrichtung erforderte nun auch ein an aktuellen Forderungen orientiertes regionales Schulwesen, zumal es damals im Nordbereich des Staatlichen Schulamtes Bruchsal nur Mittelschulzüge in Wiesental und Bruchsal gab, wovon für den Einzugsbereich Bad Schönborn nur Bruchsal mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar war.

Deshalb beantragte die damals selbständige Gemeinde Bad Mingolsheim im Jahre 1962 die Einrichtung einer Mittelschule. Das Oberschulamt Karlsruhe beauftragte daraufhin 1963 das Staatliche Schulamt Bruchsal die Möglichkeiten der Errichtung eines Mittelschulzuges in Bad Mingolsheim zu prüfen. Bereits im gleichen Jahr befürwortete das Oberschulamt Karlsruhe den Antrag der Gemeinde auf Errichtung dieser neuen Schulform. Die Genehmigung durch das Kultusministerium traf noch rechtzeitig zur Einrichtung eines „Mittelschulzuges“ an der Volksschule Bad Mingolsheim an Ostern 1964 mit 65 Schülerinnen und Schülern in zwei Klassen ein.

Zunächst kamen die Schüler aus den Gemeinden Bad Mingolsheim, Bad Langenbrücken, Kronau und Östringen. Später dann auch teilweise den Landkreis Bruchsal überschreitend aus Malsch, Malschenberg, Mühlhausen, Rettigheim, Tairnbach und Tiefenbach. Der durch die neue Schulart ermöglichte soziale Aufstieg steigerte die Akzeptanz durch die Eltern, führte folglich sehr schnell zu einem rasanten Anwachsen der Schülerzahlen und zeigte alsbald trotz Auslagerung von Klassen die Kapazitätsgrenzen des Volkschulgebäudes auf. Folgerichtig beschloss der Gemeinderat einen Neubau zur Lösung des Schulraumproblems.

Der Neubau wurde in den Jahren 1967 und 1968 als 2-zügige Schule erstellt. Dem Richtfest am 24. November 1967 folgte nach weniger als 1 ½ Jahren Bauzeit die feierliche Einweihung des Schulgebäudes am 21. März 1968. Damit standen bereits mit Beginn des Schuljahres 1968/1969 den Schülerinnen und Schülern Räume im neuen Schulgebäude zur Verfügung, einem wie es Zeitgenossen ausdrückten, „von unwirtschaftlichen und luxuriösen Effekten freien Gebäude“.

Anfang des Jahres 1974 wies der damalige Rektor Bingel in einem Schreiben an die Gemeindeverwaltung darauf hin, dass die Realschule Bad Schönborn bereits an der Grenze ihrer Aufnahmefähigkeit angelangt war. Zu diesem Zeitpunkt wurden alle Klassen der Unterstufe bereits 4-zügig geführt (im Schuljahr 1968/1969 waren es 62 Schüler, die die 5. Klasse besuchten,  im Schuljahr 1973/1974 schon 132!). Daher wurde seitens der Schulleitung recht früh die Einrichtung einer Realschule im Nachbarort Östringen dringend empfohlen, die dann auch zum Schuljahr 1973/74 ihren Betrieb aufnahm und eine spürbaren Entlastung der Realschule in Bad Schönborn brachte.

Während die Schülerzahlen in den 80er und Anfang der 90er Jahre annähernd stabil blieben, stiegen die Zahlen ab dem Schuljahr 1991/1992 stetig an und erreichten zum Schuljahr 2004/2005 ein Rekordhoch von 571 Schüler/innen bei 20 – entsprechend großen – Klassen. Zunehmend bezog die Realschule Räumlichkeiten in der Grundschule Mingolsheim um den Bedarf an weiteren Klassenräumen decken zu können. Zum Schuljahr 2003/2004 wurden darüber hinaus zwei weitere Klassenzimmer durch den Kauf von Containern geschaffen.

Neben der Raumproblematik stellte auch die Implementierung des Bildungsplanes 2004 eine große Herausforderung für die Schule dar. Die Absichten, die die Landesregierung mit dem Bildungsplan 2004 verfolgte, gingen weit über eine Antwort auf die Ergebnisse von Timss und Pisa und anderer internationaler Vergleichsuntersuchungen hinaus. Die wichtigsten Anlässe für die Vorlage eines neuen Bildungsplans waren:

„Die beschleunigte Ausdehnung des verfügbaren Wissens verlangt nach Strategien der Zusammenfassung und nötigt zu veränderten Formen des Lernens. Die Technik… fordert… die Steuerung ihrer immer komplexeren Aggregate, eine bewusstere Berücksichtigung ihrer Folgen… Die neuen Medien verändern das Verhältnis von Wissen, Denken und Erfahrung in der Bildung; sie verändern auch das Verhältnis des Menschen zu Zeit und Entfernung, Geld und Arbeit. Das wirtschaftliche und politische Zusammenwachsen der Welt erhöht die Zahl der Beziehungen, in die die Menschen zueinander treten, und damit die Notwendigkeit von Verständigung…“

Im Bildungsplan 2004 sind Bildungsstandards ein Mittel des Bildungsgangs. Das geschieht dadurch, dass Erwartungen auf bestimmten Stufen benannt werden, an denen dann überprüft werden kann, ob die Schule fähig war, sie zu erreichen. Bildungsstandards werden also im Bildungsplan 2004 den einzelnen Schularten und Fächern beziehungsweise Fächerverbünden zugeordnet. Diese staatlichen Vorgaben sind für die einzelnen Schulen verpflichtend. Zentrale Prüfungen und Vergleichsarbeiten tragen der Forderung nach der Vergleichbarkeit von Abschlüssen Rechnung.

Besonderheiten der baden-württembergischen Realschule nach Einführung des Bildungsplanes 2004 sind die Fächerverbünde EWG (Erdkunde, Wirtschaftskunde, Gemeinschaftskunde) und NWA (naturwissenschaftliches Arbeiten: Physik, Biologie, Chemie) sowie die Themenorientierten Projekte (TOP): TOP TA (Technisches Arbeiten) in Klasse 6, TOP WVR (Wirtschaft, Verwalten, Recht) in Klasse 7, TOP SE (Soziales Engagement) in Klasse 8 und TOP BORS (Berufsorientierung an Realschulen) in Klasse 9, aber auch die fächerübergreifende Kompetenzprüfung (FäKo) als Teil der Abschlussprüfungen in Klasse 10.  

Die Neuerungen des Bildungsplanes führten wiederum zu räumlichen Engpässen, insbesondere im naturwissenschaftlichen Bereich. Und auch der Umzug aus den Grundschulräumen in die drei neuen Klassenzimmer in der neuen Ohrenberghalle zum Schuljahr 2008/2009 brachte nicht wirklich eine Entspannung der Raumsituation. Der Schulentwicklungsplan der Gemeinde zählte als nicht oder nicht ausreichend vorhanden auf: Schülerbibliothek, Lehrerzimmer, Aufenthaltsraum, Lehrmittelraum, Krankenzimmer und behinder-tengerechte Toilette (nachdem zuvor mit viel Engagement von Schülern, Lehrern, Eltern und Gönnern der Einbau eines Aufzug in das Realschulgebäude realisiert werden konnte!).

Im Juni 2008 beschloss der Gemeinderat den Anbau eines zweigeschossigen Gebäudes an die bestehende Realschule zwischen Realschule und Franz-Josef-Mone-Schule mit zwei naturwissenschaftlichen Räumen und Vorbereitungsraum im Erdgeschoss und einem Klassenzimmer sowie einem Lehrerzimmer im Obergeschoss einhergehend mit Umbau und Optimierung des Verwaltungsbereiches. Die Schaffung einer behindertengerechten Toilette macht die Realschule nunmehr zur barrierearmen Schule. Neben den seit Jahren laufenden, umfangreichen Sanierungen am Altbestand bedeutete dies eine weitere gewaltige Investition zur Sicherung des Schulstandortes durch die Gemeinde. Zum Schuljahr 2011/2012 konnten die neuen Räumlichkeiten dann bezogen werden.

Erster Schulleiter war Realschulrektor Bernward Bingel, der bis zu seinem Tod 1982 der Schule Profil und Führung verlieh. Ihm folgte Rudolf Rolli, der speziell im Fachbereich Musik die Realschule neu aufstellte. Seine Nachfolgerin Gabi Künstler leitet die Realschule bis 2018 mit dem besonderen Schwerpunkt bilingualer Unterricht. Seit dem Schuljahr 2018/19 leitet Manuel Schwarz, der sich im Bereich Berufsorientierung besonders profilierte, die Realschule

Erster Konrektor war Günther Jakob, diesem folgte Herbert Kreuz. Von 1984 bis 1990 bekleidete Heinz Klittich dieses Amt. Diesem folgte Dr. Margret Ruepp, bevor Gerhard Kailbach zum stellvertretenden Schulleiter berufen wurde. Danach übte die Gabi Künstler das Amt aus. Auf sie folgten Karl-Heiz Seider und Manuel Schwarz und aktuell Stefan Stuhlmüller

400 bis 450 Schülerinnen und Schüler besuchen unsere Schule und werden in 20 Klassen von knapp 40 Lehrkräften unterrichtet. In Bad Schönborn besuchen rund ein Drittel der Schüler die Realschule von Klasse 5 bis 10. Mehr als ein Drittel der Realschüler besuchen im Anschluss ein berufliches Gymnasium und erwerben so das Abitur.

In den 50 Jahren ihres Bestehens hat sich die Realschule Bad Schönborn in einem überaus positiven Erscheinungsbild präsentiert. Sie hat ihr eigenes Profil und findet die entsprechende Achtung und Anerkennung bei Schülern und Eltern, regionalen und lokalen Betrieben sowie Anschlussschulen. Dies ist das Ergebnis einer ganz besonderen von Humanität und Kollegialität getragenen  Zusammenarbeit aller, die der Schulfamilie angehören und die für die Schule in irgendeiner Form Verantwortung tragen.

Wegen der demographischen Entwicklung, wegen dem veränderten Schulwahlverhalten der Eltern (auch begünstigt durch den Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung) und sicherlich auch aus politischen Gründen gab es in den letzten Jahren große Umwälzungen in der Bildungslandschaft Baden-Württembergs. Inzwischen hat die Landesregierung jedoch ihre bildungspolitischen Ziele mit der Umsetzung eines Zwei-Säulen-Systems mit einerseits dem Gymnasium und andererseits einem integrativen Bildungsweg teilweise korrigiert und anerkennt auch wieder die gewichtige Rolle der Realschule in der Bildungslandschaft Baden-Württemberg.
(bst)